Meinung

Hass: Ausprägungen eines Gefühls

Der Hass gehört verboten, so hören und lesen wir immer wieder. Hassrede spaltet und verletzt, und Hass ist natürlich "rechts". Doch in erster Linie ist Hass ein Gefühl. Allerdings eines, mit dem Politik gemacht wird. Hass kann tödlich, kann aber auch notwendig sein.
Hass: Ausprägungen eines GefühlsQuelle: Gettyimages.ru © chyrysh

Von Tom J. Wellbrock

Ausgangspunkt dieses Textes ist ein Kommentar, den ich unter einen Tweet von Michael Roth (SPD) geschrieben hatte. Roth beschwor einmal mehr seine Kriegsbesessenheit und verkaufte sie auf "X" als noble Geste für Demokratie und Menschlichkeit. Für mich ist die Motivation von Leuten des Kalibers wie Michael Roth eine Kombination aus persönlichem Vorteil (worin dieser auch immer konkret liegen mag, er wird gewiss wirtschaftlich eingefärbt sein) und seinem Hass gegenüber Russen.

Die Bereitschaft, einen schrecklichen Krieg unter fadenscheinigen Gründen zu verlängern und unzählige Tote in Kauf zu nehmen, wird öffentlich kaum als Hassverbrechen wahrgenommen. Doch genau das ist es in meinen Augen. Der Hass eines Michael Roth mag untergeordnet sein unter Emotionen der eigenen Vorteile, die sich aus der Nähe zur Rüstung und zum Militär ergeben. Er ist also wohl nicht der primäre Antrieb für Roths Handeln und Argumentieren. Dennoch ist so viel Menschenfeindlichkeit ohne eine gewisse Portion von oberflächlichem Hass kaum denkbar.

Warum der Hass auf Russen?

Man könnte es sich leicht machen und behaupten, dass Chinesen oder Indern der gleiche Hass entgegengebracht wird, wenn es "der Sache dient". Russland ist nun mal aktuell das Ziel Nummer eins des westlichen Hasses, weil die jahrelange Vorbereitung des Ukraine-Krieges 2022 endlich Erfolg hatte und Putin zum Angriff bewegt wurde. Es liegt also für Roth und seine Mitstreiter nahe, "den Russen" als solchen als Hassobjekt auszuwählen.

Doch ganz so simpel ist es nicht. Man denke nur etwa an Roderich Kiesewetter (CDU), der den "Krieg nach Russland tragen" und den Russen beibringen will, wie es ist, einen Krieg zu verlieren. Ganz so, wie es die Deutschen einmal lernen mussten, fügte er noch hinzu. Ich denke, dass unter diesen Leuten der Gedanke an den verlorenen Zweiten Weltkrieg bei den einen mehr, bei den anderen weniger ausgeprägt ist, gänzlich bedeutungslos ist er aber in den seltensten Fällen.

Psychologisch betrachtet ist es eine "Meisterleistung", 27 Millionen durch Deutsche getötete Sowjetbürger aus der Wahrnehmung in der Gegenwart einfach zu entfernen, um durch oberflächliche und sachlich falsche Argumentationen die tiefe Abneigung gegen Russland zu rechtfertigen. Es ist auf der einen Seite eine tiefe Ignoranz gegenüber der Geschichte und auf der anderen Seite der Versuch der Weißwaschung des eigenen Hasses und der eigenen Geschichtsvergessenheit.

Der Hass auf die Russen, auf das Russische, ist in einem kollektiven Teil der Deutschen also tief verwurzelt, und man kann nicht ausschließen, dass dieser Hass erst dann beendet sein wird, wenn das Hochgefühl, die Russen einmal zu Verlierern gegenüber Deutschland gemacht zu haben, endlich erreicht wurde, wenn also die Russen nicht mehr das Volk sind, das den Deutschen eine Niederlage im Zweiten Weltkrieg zugefügt hat, sondern ein durch Deutschland besiegtes Opfer, dem gegenüber man sich als Sieger gnädig und herablassend verhalten kann.

Hass erzeugt Hass

Zurück zu dem Tweet von Michael Roth, von dem oben die Rede war. Michael Roth hatte gepostet:

Die Tweets von Roth sind immer gleich aufgebaut. Entweder taucht er sie in dunkles Licht mit einem dramatischen Touch, um zu beweisen, wie schrecklich er das Schreckliche findet, das durch das Gute bekämpft werden muss. Oder er umgibt sich mit lachenden Menschen, mal mit politischen Partnern oder wahlweise auch gern mit der eigenen Familie oder mit Freunden. Im Falle dieser Tweets wird viel gelacht, man steht sich nah, umarmt sich, transportiert ein solidarisches Miteinander. Die pure Menschlichkeit eben.

Jeder Mensch reagiert auf bestimmte Methoden der Manipulation anders, und in meinem Falle hat sich gegenüber Michael Roth das unzweifelhafte Gefühl des Hasses entwickelt. Dafür musste ich mich kritisieren und belehren lassen, denn ich kommentierte Roths Tweet mit folgenden Worten:

"Ich bin gespannt, wie du deinen Kindern irgendwann erklären willst, dass du nicht zum Frieden, sondern zur Eskalation des Krieges beigetragen hast. Ich hoffe inständig, dass sie dich für deine Rolle hassen werden!"

Eine Reaktion auf meinen Kommentar, die ich schon in der Vergangenheit immer wieder beobachten konnte, lautete:

"Hass heilt keinen Hass."

Andere Reaktionen gingen in die Richtung der Fürsorge mir gegenüber und rieten mir, so ein Gefühl wie Hass nicht in mir aufsteigen zu lassen. Es schade mir nur selbst, täte mir nicht gut und würde weitere negative Gefühle erzeugen. Keine große Rolle in den Reaktionen spielte der offene Hass, den ein Michael Roth zuvor und danach gern transportiert, inklusive der konkreten Folgen, die er mitzuverantworten hat.

Ich möchte darauf mit einer Teildefinition von Erich Fromm reagieren, der schrieb:

"Unter reaktivem Hass verstehe ich eine Hassreaktion, die entsteht aufgrund eines Angriffs auf mein Leben, meine Sicherheit, auf meine Ideale oder auf eine andere Person, die ich liebe oder mit der ich identifiziert bin. Reaktiver Hass setzt immer voraus, dass jemand eine positive Einstellung zum Leben, zu anderen Menschen und zu Idealen hat. Wer stark lebensbejahend ist, wird entsprechend reagieren, wenn sein Leben bedroht ist."

Ich nehme für mich diese (reaktive) Form des Hasses in Anspruch, denn ich bin (und war schon immer) ein lebensbejahender Mensch, optimistisch und hoffnungsvoll in die Zukunft blickend. In den letzten drei Jahren war es ein harter und nicht immer erfolgreicher Kampf, diesen Optimismus zu bewahren. Und heute stelle ich immer häufiger fest, dass ich Hass empfinde, zum Beispiel gegenüber Michael Roth, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Anton Hofreiter oder Roderich Kiesewetter. Der pragmatische Hinweis, diese Personen seien nicht entscheidend, sondern nur ausführende Figuren, auf die den Hass zu richten eine überflüssige und zudem sich selbst belastende Reaktion sei, nehme ich zur Kenntnis. Mehr aber auch nicht.

Denn ich sehe meine positive Einstellung zum Leben angegriffen, sehe sie bedroht, und mittlerweile kann ich auch eine echte Bedrohung meines Lebens erkennen. Das ständige Drehen an der Eskalationsspirale mag politischen und taktischen Erwägungen folgen, die nicht darauf ausgerichtet sind, tatsächlich einen heißen, womöglich sogar atomar-heißen Krieg zu entfachen. Doch es ist ein Spiel mit dem Feuer, das – gewollt oder ungewollt – zu einem Flächenbrand werden kann, der im extremen Fall alles Leben auslöscht. Ich mache für diese Gefahr die Genannten persönlich verantwortlich.

Hass als Charaktereigenschaft

Bleiben wir bei Erich Fromm, der eine weitere Spielart des Hasses beschreibt:

"Doch wurde der Hass dann zu einem Charakterzug des Betroffenen, so dass er jetzt feindselig ist ... Im Falle des reaktiven Hasses ist es die Situation, die den Hass erzeugt; im Falle des charakterbedingten Hasses hingegen wird eine nicht-aktivierte Feindseligkeit durch die Situation aktualisiert ... Ein solcher Mensch zeigt eine besondere Art von Befriedigung und Spaß, wenn er hasst, die bei reaktivem Hass fehlt."

Diese Form des "charakterbedingten Hasses" ist eine der wesentlichen Voraussetzungen zum Führen eines Angriffskrieges. Sie wird von politischen Akteuren bewusst in der Bevölkerung erzeugt, um die Bereitschaft zum Krieg aufzubauen. Da der Hass durch die Initiatoren hier mit einem äußeren Feind begründet wird, scheint es sich auf den ersten Blick ebenfalls um reaktiven Hass zu handeln. Doch das Reaktive ist vorgeschoben, der Hass wohnt den Beteiligten bereits vor dem Feindbildaufbau inne.

Das Beispiel des Ukraine-Krieges zeigt, dass die vermeintliche Reaktion auf den äußeren Feind austauschbar und willkürlich ist. Der "unprovozierte Angriffskrieg" ist – bezieht man historische Fakten in die Überlegungen mit ein – nicht haltbar, er ist eine Konstruktion derer, die charakterbedingt hassen und mit diesem Wesenszug politische oder persönliche Ziele erreichen wollen. Der Hass war schon vor der Begründung da, der kommunizierte Anlass zum Hass ist unterm Strich also bedeutungslos.

Am Beispiel der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) lässt sich der charakterbedingte Hass eindrucksvoll illustrieren. Ihre scheinbar unüberlegten Äußerungen, man wolle Russland ruinieren und befände sich im Krieg mit dem Land, zeigen eine Form des Hasses, der einer Diplomatin nicht würdig ist. Auch Baerbocks pseudo-diplomatische Praxis, bei jeder sich bietenden Gelegenheit über persönliche Schicksale zu argumentieren, sind einer gelebten Diplomatie nicht angemessen. Ihr liegt ein objektiv anlassloser Hass zugrunde, der nur durch subjektive Charaktereigenschaften zu erklären ist. Die Gründe unter der Oberfläche sind von außen schwer zu beurteilen, es wäre zu spekulativ, dies ohne entsprechendes Hintergrundwissen über die inneren Beweggründe zu tun.

Aber gerade Baerbocks wiederholte Hinweise auf "grauenvolle Folter", "schreckliche Vergewaltigungen" und "unfassbare Gewalt" zeigen, dass sie nicht anhand sachlich einzuordnender Ereignisse agiert, sondern aus einem inneren Zwang heraus, die emotionalen Aspekte zur Leitplanke ihres Handelns zu machen. Das beweist – neben ihrer diplomatischen Unfähigkeit – eine zutiefst verstörende Charaktereigenschaft des Hasses, den sie generalisiert und der dazu führt, dass sie den Bezug zur Realität verloren hat. Sie zeigt das immer wieder, wenn sie Ereignisse erfindet, die nachweislich so nicht stattgefunden haben, in Baerbocks Wahrnehmung aber dennoch existieren. Sie braucht diese fiktiven Ereignisse, um ihren charakterbedingten Hass zu rechtfertigen und ihre Handlungen als richtig und notwendig erscheinen zu lassen.

Verbotene Reaktionen

Noch einmal zurück zu Erich Fromm, der schrieb:

"Wer stark lebensbejahend ist, wird entsprechend reagieren, wenn sein Leben bedroht ist."

Ob das Leben als solches oder die Art zu leben – große Teile der Bevölkerung sehen sich von der aktuell herrschenden Politik massiv bedroht. Mit dem Beginn der Corona-Episode wurden Lebenswirklichkeiten gewaltsam und unnachgiebig zerstört, neue Realitäten wurden den Menschen aufgezwungen. Wer sich nicht fügte, musste (und muss) mit Repressionen und physischer oder psychischer Gewalt rechnen. Solch ein dauerhafter Druck erzeugt unterschiedliche Strategien des Umgangs damit. Während die einen sich zur Wehr setzen und den Willen zum Widerstand entwickeln, ziehen andere sich zurück und versuchen, sich ihrem Schicksal ängstlich oder opportunistisch zu ergeben.

Hass oder dem Hass ähnelnde Gefühle sind eine natürliche Reaktion auf den immer weiter gesteigerten und verbreiteten Druck seitens herrschender Politiker, Medien und gesellschaftlicher Strömungen – sie sind ein Versuch, der Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit zu entgehen. Gerade unter diesem Gesichtspunkt ist das Verbot von "Hassrede", "Hetze" und dem abstrakten "Delegitimieren des Staates" ein wirkmächtiges Druckmittel, um wehrhafte Emotionen der Bevölkerung zu unterdrücken. Gleichzeitig werden durch eine künstlich erzeugte "Solidarität", durch "Demos gegen rechts" und eben durch die Projektion auf einen äußeren Feind ("den Russen") Gefühle erzeugt, die als Alternative zur eigenen Unzufriedenheit, zur eigenen Angst und zu eigenen Unterdrückung genutzt werden sollen.

Der natürliche Hass, der sich reaktiv gegen die Verursacher der Probleme richten müsste, wird umgelenkt auf Ereignisse und Personen, die es scheinbar zu bekämpfen gilt, obwohl diese weder die Mittel noch die Motivation haben, den großflächigen Schaden anzurichten, den reichweitenstarke Medien oder mit viel Macht ausgestattete Politiker täglich bewirken.

Doch das Verbot von Gefühlen, das Kriminalisieren eines oder mehrerer Gefühle wird auf Dauer nicht funktionieren. Denn der Graben zwischen der Bevölkerung einerseits, bestimmten Politikern und Medien andererseits wird größer, und was da als "Solidarität" bezeichnet und verkauft wird, hat eine gewisse Halbwertzeit. Diese Zeit läuft ab, und der Hass, der durch die Angriffe und die Vernichtung der eigenen Lebensgrundlagen erzeugt wird, kommt ans Tageslicht. Gesetze und Repressionen werden diesen Prozess verzögern, aber nicht aufhalten können. Und das inzwischen breitflächig verspielte Vertrauen wird sich nicht zurückgewinnen lassen, schon gar nicht mit diesem Personal als Politiker.

Ob "Hass" verboten wird oder bleibt oder in erweiterter Form ihm ähnelnde Gefühle Objekt der Machtbegierde werden, spielt für den Zerfall der Gesellschaft in Deutschland keine Rolle. Die Frage lautet eher, in welcher Form und über welchen Zeitraum der Zerfall fortschreiten wird.

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.

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