Polit-Star Baerbock? Die Fassade bröckelt
Von Gert Ewen Ungar
Sie hatte eigentlich Kanzlerin werden wollen. Die Zustimmungswerte zu den Grünen einige Monate vor der Bundestagswahl hätten das hergegeben. Die Grünen, geführt von Annalena Baerbock, waren auf dem Weg, stärkste Kraft in einer neuen Regierung zu werden. Falschangaben im Lebenslauf haben ihr und den Grünen dann einen Strich durch die Rechnung gemacht. Skandalbedingt sank vor der Bundestagswahl die Zustimmung zur ehemaligen Friedenspartei. Baerbock landete nicht im Kanzleramt, was wohl gut für Deutschland war. Sie landete im Außenministerium, denn sie kommt "vom Völkerrecht her", wie sie von sich selbst glaubt. Das war wiederum schlecht für Deutschland und Deutschlands Ansehen auf der Welt.
Inzwischen wird Baerbock selbst vom Koalitionspartner in die Ecke gestellt. Die Zustimmung zu Panzerlieferungen durch Bundeskanzler Olaf Scholz war mit dem Auswärtigen Amt gar nicht abgestimmt, wie aus Medienberichten hervorgeht. Baerbocks aggressive und undiplomatische Haltung, ihr unabgesprochenes Vorpreschen in Verbindung mit einer durchweg ideologischen und wenig pragmatischen Haltung scheint selbst dem Kanzler inzwischen unangenehm aufzustoßen. In der Folge wird das Außenministerium einfach übergangen.
Unmittelbar nach ihrer Einführung ins Amt im Dezember 2021 gab sich die frisch gekürte Außenministerin kämpferisch. Im Januar absolvierte sie ihren Antrittsbesuch in Russland, zog eine Schnute, mahnte in Russland die "Fressefreiheit" an und wurde nach allen Regeln der diplomatischen Kunst abserviert. Es war ihr erster und einziger Besuch in Russland, ihr erstes und einziges Zusammentreffen mit ihrem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow.
Die deutsche Außenministerin wurde ungeachtet ihres offenkundigen Scheiterns von den deutschen Medien mit viel Lob bedacht. In den deutschen Medien hatte Baerbock bisher ein gutes Standing. Das erklärt ihre Beliebtheit trotz des Ausbleibens politischer Erfolge. Baerbock wurde zum Polit-Star hochgeschrieben – ein relevanter Teil ihrer Wähler sitzt offenkundig in den Redaktionen deutscher Medien.
Ein Misserfolg, den sie allerdings nicht allein zu verantworten hat, war das Vorhaben, mit massiven Sanktionen Russland zu ruinieren. Bei der Pressekonferenz, bei der sie die Sanktionen der EU erläutert, ist der deutschen Außenministerin anzumerken, wie sie sich emotional leiten lässt. Offensichtlich hasst sie Wladimir Putin und auch ihren Kollegen Lawrow. Das macht sie für das Amt, das sie bekleidet, ungeeignet. Große Gefühle sind in der Diplomatie fehl am Platz. Man sollte trotz ganz grundlegend unterschiedlicher Ansichten miteinander reden können. Baerbock kann das nicht und wird damit zum Problem.
Der für 2022 für Russland prognostizierte Wirtschaftseinbruch im zweistelligen Bereich blieb dann auch aus. Die russische Wirtschaft kontrahierte zwar, aber deutlich geringer als erwartet beziehungsweise von Baerbock und Co. erhofft. Die nach Baerbocks Sprachregelung "präzedenzlosen Sanktionen" bescherten der russischen Wirtschaft nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) einen Einbruch um 2,2 Prozent. Inzwischen hat der IWF seine Prognose für Russland für dieses und das kommende Jahr nach oben korrigiert. 0,3 Prozent wächst die russische Wirtschaft 2023 und 2,6 Prozent im Jahr 2024, sagt der IWF voraus. Damit ist die Prognose für Russland deutlich besser als für Deutschland, auf dessen Wirtschaft die Sanktionen zurückwirken. Das Sanktionsregime der EU, das Baerbock nicht nur mitträgt, sondern immer weiter forciert, wird für die deutsche Wirtschaft gefährlich. Es wirkt insgesamt undurchdacht und selbstmörderisch. Es drohen irreparable Schäden für den Standort Deutschland. Die Sanktionen stehen für Baerbock dennoch nicht in Frage.
Baerbock ist Außenministerin und reist daher viel. Von ihren Reisen bringt sie vor allem schöne Bilder mit. Erfolge kann sie nicht vorweisen. Ihr Hauptanliegen ist, den Ländern, die sie besucht, die deutsche Sprachregelung im Hinblick auf Russlands "brutalen Angriffskrieg" aufzuzwingen und sie dazu zu bringen, sich dem westlichen Sanktionsregime anzuschließen. Auch damit scheitert sie regelmäßig, und das aus gutem Grund. Die Sicht Baerbocks auf den Konflikt ist einseitig und verkürzt. Jeder außerhalb der medialen deutschen Blase weiß das.
Ihre Gesprächsverweigerung gegenüber Russland, die Absage an Verhandlungen und ihr Wille zur militärischen Eskalation des Konfliktes lassen Deutschland zudem als Konfliktpartei erscheinen. Deutschland ist an Frieden nicht interessiert. Niemand macht das so deutlich wie Baerbock.
Gleichzeitig zeichnen sich ihre Auftritte durch Belehrungen und Besserwisserei gegenüber den Gastgeberländern aus. Kultursensibilität, Respekt vor Traditionen und eine echte Akzeptanz von Vielfalt sind Baerbock fremd. Man soll auch im Ausland das denken, was und vor allem wie man in Deutschland denkt, und danach handeln. Baerbocks Außenpolitik ist von neokolonialem Geist getragen. Dass sie sich ständig veranlasst sieht, zu beteuern, das wäre nicht so, man suche die Begegnung auf Augenhöhe, verstärkt den Eindruck, dass es eben genau so ist.
Inzwischen nehmen selbst die größten Unterstützer Baerbocks von ihr Abstand: die deutschen Medien. Bereits am 21. Januar fragte der Tagesspiegel, der bisher nicht mit großer Kritik an den Grünen und vor allem nicht an Baerbock aufgefallen war: "Was macht eigentlich die Außenministerin?" und gibt ihr den Tipp, sie müsse eine "Generalin der Tat" werden.
Die Kritik ist umfassend: Baerbock habe bisher noch nicht einmal die zentralen Begriffe und Säulen ihrer Außenpolitik erklären können. Was "feministische Außenpolitik" sein soll, was genau die Kriterien für "wertegeleitete Außenpolitik" sind, erschließt sich nicht, meint der Autor des Meinungsbeitrags Stephan-Andreas Casdorff. Damit ist er nicht allein. Nach über einem Jahr in Amt ist es Baerbock nicht gelungen, diese Begriffe, die angeblich die tragenden Säulen ihres außenpolitischen Konzepts bilden, mit konkretem Inhalt zu füllen. Es sind und bleiben Phrasen und leere Worthülsen.
Heribert Prantl kritisiert in der Süddeutschen Zeitung Baerbocks Forderung nach einem Sondertribunal zur Verurteilung Putins. Selbst die Tagesschau, sonst im Verschweigen unangenehmer Meldungen immer große Meisterin, berichtet über die Absage, die die EU-Justizminister Baerbocks Tribunal-Vorschlag erteilt haben. Die Idee ist nicht nur unausgegoren, sondern würde ein internationales Zwei-Klassen-Recht schaffen, denn die Kriegsverbrechen westlicher Länder blieben nach Baerbocks Vorstellung ungestraft. Das Sondertribunal wäre nicht zuständig. Auch die Idee des Sondertribunals gegen Russland auf Grundlage ukrainischen Rechts verdeutlicht, wie sehr ein reaktionäres koloniales Denken Baerbock antreibt.
Dieses koloniale Denken wird auch in ihrer Ukrainepolitik deutlich. Es ist die Aufgabe der Ukraine, sich für westliche Werte und Demokratie in diesem Systemkonflikt zu opfern. Dafür bekommt das Regime in Kiew alle erdenkliche Unterstützung. So lässt sich Baerbocks Position zur Ukraine zusammenfassen. Sie steht damit in Deutschland sicherlich nicht allein, aber sie gehört zu den wichtigsten und kompromisslosesten Verfechtern dieser zynischen Eskalationspolitik. Diese Politik führt absehbar zur völligen Zerstörung der Ukraine und zu Hunderttausenden von toten Ukrainern für die Ziele einer seelenlosen, unethischen deutschen Außenpolitik. Der Ukraine wird sich die Außenministerin daher künftig zu verantworten haben.
Gestolpert ist sie im Moment wohl über ihre persönliche Kriegserklärung an Russland im Europarat. Da wurde deutlich, wie gefährlich die geistige Schlichtheit Baerbocks ist. Zwar versuchte das Auswärtige Amt noch Schadensbegrenzung mit einer sehr gewagten rhetorischen Volte: Wer Baerbocks Aussage zitiere, spiele der russischen Propaganda in die Hände.
Seitdem ist es still geworden. Baerbock ist seit ihrer "Kriegserklärung" abgetaucht. Vielleicht lernt sie in ihrer Klausur dazu. Vielleicht dämmert es ihr in ihrem Rückzug in die Stille, dass auch ihre bedingungslose Unterstützung des Kiewer Regimes ihr eines Tages schwer auf die Füße fallen wird. Vielleicht dämmert ihr auch, dass das Kiewer Regime zu unterstützen das Gegenteil von Solidarität mit den Ukrainern bedeutet. Vielleicht weiß sie das aber auch schon lange und findet das Sterben der ukrainischen Soldaten auf dem Schlachtfeld sowie die Zerstörung der Ukraine den Preis wert.
Der von Baerbock präferierte Kurs eines Siegs über Russland auf dem ukrainischen Schlachtfeld macht sie nämlich mitverantwortlich für das Sterben und den völligen staatlichen Zerfall des Landes. Sie wird sich dafür rechtfertigen müssen. Der militärische Teil des Konflikts nähert sich seinem Ende, und die Ukraine verliert ihn. Das wird für die EU, für Deutschland, aber auch für Baerbock als eine der lautstärksten Verfechterinnen dieser Politik Konsequenzen haben.
Hier zeigt sich auch der große Unterschied zu Baerbocks großem Vorbild Madeleine Albright. Die schied aus dem Leben, noch bevor sie hätte zur Rechenschaft gezogen werden können. Die historische Situation ist jetzt eine andere. Die geopolitische Machtverschiebung findet statt. Baerbock wird sich verantworten müssen. Man darf gespannt sein, mit welchen Argumenten sie dann ihre zynische Politik begründen wird.
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.