Ein paar Fragen zur Kriegsmüdigkeit
Von Tom J. Wellbrock
Hallo! Wie geht es Ihnen? Spüren Sie das auch, dieses Gefühl, diesen Wunsch, ja, diesen Drang, die Freiheit und unsere Werte verteidigen zu müssen? Sie wissen schon, in der Ukraine wird das momentan gemacht. Mit freundlicher Unterstützung Deutschlands. Und? Sind Sie dabei?
Sollten Sie die Ukraine nicht so gut kennen, nicht wissen, wie es politisch und gesellschaftlich dort aussieht, ist das nicht so schlimm. Hören Sie einfach Ihren Regierungsvertretern zu, lesen Sie Ihre Lieblingszeitung oder hören Sie das Radioprogramm, dem Sie vertrauen. Sie werden alles erfahren, was Ihnen jetzt an Wissen fehlt! Und Sie werden ganz schnell begreifen, dass es in der Ukraine im Prinzip wie hier ist. Es gibt Gerechtigkeit, Frieden, Menschenrechte, Pressefreiheit und natürlich die großartige Errungenschaft der Meinungsfreiheit.
Aber Sie wissen ja: All das ist in Gefahr. Nicht nur in der Ukraine, sondern auch hier, im Westen. Schließlich wird dort, in der Ukraine, all das verteidigt, was uns lieb ist. Das mag Ihnen etwas merkwürdig erscheinen, denn Sie denken vielleicht, dass so etwas wie unsere Werte doch in erster Linie hierzulande verteidigt werden müsste und nicht in einem Land, mit dem wir bisher eher wenig zu tun hatten. Aber Sie wissen ja auch, dass unsere Freiheit am Hindukusch verteidigt werden musste. Und? Hat seit diesem Kampf um die Freiheit am Hindukusch unsere Freiheit hier gelitten? Nein! Und das liegt eben genau daran.
Und kommen Sie mir jetzt bloß nicht mit diesem blöden, alten Witz über den Mann, der immerzu in die Hände klatscht, und diesem anderen Kerl, der ihn fragt, warum er das tut. "Um die Elefanten zu vertreiben", antwortet der klatschende Mann. "Aber", erwidert der andere, "hier sind doch gar keine Elefanten". "Eben", antwortet der Mann, der klatscht. Ein saudummer Witz, und eine saudumme Vorstellung, dass unsere Freiheit nicht am Hindukusch verteidigt wurde. Schließlich haben wir hier immer noch das volle Paket an Demokratie. Was denken Sie, was hier los wäre, hätten wir vom Hindukusch die Finger gelassen?
Kämpfen für die Werte
Aber zurück zu unseren Werten. Sie fragen sich, was genau damit eigentlich gemeint ist? Lassen Sie das, es ist kompliziert. Aber der Wertekanon singt harmonisch und laut, er trägt seine Stimme in die weite Welt hinaus, und es ist gut, dass er das tut. Sie stehen doch wohl zu unseren Werten, oder? Na also!
Denken Sie zurück an Ihre Eltern, Großeltern und Urgroßeltern. Auch sie haben für dieses Land gekämpft. Wollen Sie etwa nicht deren Erbe antreten und ebenfalls für die gute Sache stehen und gegebenenfalls fallen? Wir Deutschen können auf zwei Weltkriege zurückblicken, zwei Kriege, in die wir gezogen sind für die gute Sache. Nun, es gab jedenfalls Leute, die das so sahen. Annalena Baerbock etwa vertrat vor gar nicht allzu langer Zeit die Meinung, sie stehe wegen der Leistungen ihres Großvaters im Zweiten Weltkrieg auf seinen Schultern. Gut, dass Baerbock auch noch auf den Schultern von Madeleine Albright thront, schließlich kann man auf einem Bein nicht stehen.
Stehen Sie also in der Tradition der deutschen Kriegsgeschichte? Das sollten Sie besser, denn Solidarität mit der Ukraine sollte genaugenommen auch bedeuten, Seit' an Seit' mit den Soldaten zu kämpfen, die aufopferungsvoll auch Ihre Freiheit verteidigen.
Wie wär's? Sie in Uniform? Mit Helm und Stiefeln und natürlich einem Gewehr? Immer auf der Hut und der Suche nach russischen Feinden, die Sie beseitigen können? Für die Freiheit? Machen Sie sich bitte keine Gedanken über die unangenehmen Seiten des Krieges, das ist nur Gerede und wird maßlos übertrieben. Sicher, niemand kann Ihnen garantieren, dass Sie mit allen Körperteilen, die Ihnen lieb und teuer sind, wieder nach Hause kommen, wenn Sie für Ihr Land und den Wertekanon gesungen und geschossen haben. Auch für Ihre Innereien gibt es keine Garantie auf Unversehrtheit. Es könnte schon passieren, dass Sie Ihr Leben, Ihre Ernährung, Ihr Berufsleben (sollten Sie es noch ausüben können) ein wenig anpassen müssen. Gewisse körperliche Einschränkungen gehören aber dazu, das wissen Sie sicher.
Und auch Ihre Psyche könnte für den Seelenfrieden, der sich daraus ergibt, das Richtige zu tun, ein wenig leiden. Posttraumatische Belastungsstörungen, das kennen Sie ja bestimmt. Alpträume, Ängste, Selbstverletzungen, Sucht nach Alkohol, Drogen, Tabletten, okay, ja. Aber dafür stehen Sie auf den Schultern der Demokratie, ein wenig wackelig vielleicht, aber doch einigermaßen standhaft.
Deutsche Tradition
Bitte denken Sie an die deutsche Geschichte, wenn Sie jetzt Waffen für die Ukraine fordern, wenn Sie gar bereit wären, selbst in die Schlacht für die Gerechtigkeit zu ziehen. Und vergessen Sie nicht, dass im Zweiten Weltkrieg vielleicht sogar Mitglieder Ihrer Familie gegen die Russen gekämpft haben, sie angegriffen haben, um es genauer zu beschreiben.
Vergessen Sie nicht die vielen Opfer auf der russischen Seite, die einen wesentlichen Teil der deutschen Tradition ausmachen. Gefällt Ihnen die Vorstellung, eine zweite Chance zu bekommen? Finden Sie es gut, diesmal womöglich endlich auf der Seite der Sieger zu stehen und den Russen zu zeigen, welche Rasse voller Herrlichkeit und Gerechtigkeitsempfinden ist, nämlich die Deutsche?
Haben Sie einmal etwas vom "Großen Vaterländischen Krieg" gehört? Oder vom "Unsterblichen Regiment"? Die Russen meinen damit den Zweiten Weltkrieg und die Armee, die sich gegen das Böse, das faschistische Deutschland, erfolgreich zur Wehr gesetzt hat. Tragischerweise mit mehr Opfern, als nötig gewesen wäre, weil Russland zu lange auf Frieden gehofft und der Menschlichkeit vertraut hatte. Dieses Zögern führte zu einem verheerenden Überraschungsangriff der Deutschen auf die Russen, die dafür teuer und mit vielen Leben bezahlen mussten.
Wenn Sie sich der deutschen Geschichte bewusst sind, wenn Sie wissen, was für schreckliche Taten von den Deutschen ausgingen, und wenn Ihnen klar ist, dass es in erster Linie Russland war, das die Deutschen vom Nationalsozialismus befreit hat, dann gehen Sie – bitte! – noch einmal in sich und zögern Sie. Seien Sie der Zauderer, seien Sie unsicher und denken Sie darüber nach, ob die Sache, für die Sie kämpfen wollen, wirklich so rein und klar ist wie Ihnen Glauben gemacht werden soll.
Sie könnten auch etwas anderes tun: Sie könnten im Mai 2023 nach Russland fahren. Sie könnten vorher in Ihrer Familiengeschichte nach Angehörigen suchen, die sich gegen den Faschismus gewehrt haben. Sie könnten sodann ein Foto von einem der Widerstandskämpfer Ihrer Familie auf ein Schild drucken lassen. Und dann gehen Sie am 9. Mai mit, wenn der Marsch für das "Unsterbliche Regiment" beginnt.
Sie und die Hunderttausende Russen, die mit Ihnen unterwegs sein werden, verbindet auf diesem Marsch etwas, das eine bleibende Verbindung bedeuten kann: Der Kampf gegen den Faschismus.
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.